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Psychologie des Klimawandels

Es ist ein Paradox: Nirgends in Europa ist die Besorgnis über den Klimawandel größer als in Deutschland. In einer aktuellen Umfrage äußerten 44 Prozent der Befragten, sie seien "sehr besorgt" oder sogar "äußerst besorgt" wegen der Erderhitzung. Dennoch boomt der Flugverkehr, werden immer größere Autos gekauft, werden Lebensmittel und Energie verschwendet. Das Wissen um den Klimawandel und die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu ändern, scheinen wenig miteinander zu tun zu haben.

Die Ursachen hierfür hat der norwegische Psychologe und Ökonom Per Espen Stoknes in einem Buch* analysiert. Er beschreibt darin unter anderem die Erkenntnisse der Evolutionspsychologie. Demzufolge stammen viele unserer Antriebe aus der Steinzeit. Dazu gehören Eigennutz, das Streben nach Status und die Orientierung an den anderen Gruppenmitgliedern. Wenn also alle Bekannten zweimal im Jahr in Urlaub fliegen, fällt es leicht, das ebenfalls zu tun. Wir denken kurzfristig und sind auf schnelle Belohnungen aus. Unser Gehirn ist auf unmittelbare und fühlbare Risiken eingestellt, nicht auf abstrakte, weitgehend unsichtbare wie den Klimawandel.

Wenn das, was wir wissen (zum Beispiel, dass fossiler Energieverbrauch zum Klimawandel beiträgt) mit dem in Konflikt gerät, was wir tun (beipielsweise Fliegen, Autofahren und Fleisch essen) setzt ein Mechanismus ein, den Psychologen als „Dissonanz“ bezeichnen. Das heißt: Informationen, die die eigenen Handlungen oder Einstellungen in Frage stellen, werden gemieden, verharmlost oder angezweifelt.

Insgesamt ist das menschliche Gehirn auf eine Krise wie den Klimawandel also schlecht vorbereitet. Was aber tun, um Menschen zu erreichen? Noch mehr Fakten noch drastischer zu präsentieren, wie es oft geschieht, verstärkt – so Stoknes - nur die Abwehrhaltung. Weitere Dramen über drohende  Katastrophen, Gefahren und Untergang erzeugen nur Gefühle von Ohnmacht und Lähmung.

Stattdessen gelte es, die menschliche Natur zu nutzen, um etwas für den Klimaschutz zu erreichen. Menschen sind soziale Wesen, also sollten sie sich zu Gruppen und Netzwerken zusammenschließen, um konkrete Verbesserungen vor Ort zu erreichen. Das hilft gegen das Gefühl der Machtlosigkeit und die Dissonanz. Statt Menschen einfach zum Stromsparen aufzufordern, kann man einen Stromspar-Wettbewerb unter Nachbarn initiieren – und nutzt so das menschliche Streben nach Status. Menschen lernen aus Geschichten, besser als über reine Fakten. Deshalb sollten positive Geschichten erzählt werden, zum Beispiel von innovativen technischen Lösungen oder von Menschen, die sich erfolgreich einsetzen.

Letztlich geht es dem Autor darum, eine gesellschaftliche Atmosphäre zu schaffen, in der klimaschützende Maßnahmen breit unterstützt werden. Erst dann, sagt Stoknes, werde die Politik auch den Mut haben, entsprechende Rahmenbedingungen über Gesetze etc. zu schaffen.

 Frank Eckhardt

 * Per Aspen Stoknes: What We Think About When We Try Not To Think About Global Warming. Toward a New Psychology of Climate Action. Chelsea Green Publishing, White River Junction, Vermont, 2015. 320 Seiten.

 

 

 

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